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Korpiklaani (+Turisas +Trollfest) 09.03.2019 Z7 Pratteln

Luftballons, Kriegskötter und Männer aus dem Wald – Abwechslung war auf jeden Fall geboten, an diesem stürmischen Samstag im Z7. Der Frühlingssturm pustete schon beim Einlass ordentlich durch die Kutten und Dreads der Besucher. Doch auch im Laufe des Abends sollte es noch genug Gelegenheit geben, seine Kleidung zum Wehen zu bringen. Eine geballte Ladung skandinavischen Folk-Metals stand auf der Running-Order, Grund genug, schnell den Sturm in Richtung Bühne zu wagen.

Dort angekommen, fällt uns direkt die ungewöhnliche Bühnendeko auf. Hat man in Pratteln vergessen, den Fastnachtsschmuck abzunehmen? Nein, die Ballons gehören zum „Konzept“ der Chaos-Folker von Trollfest. Die sieben Norweger verbreiten ab dem ersten Ton eine extatische Stimmung im Publikum, die irgendwo zwischen purer Albernheit und tiefster Bewunderung anzusiedeln ist. Klar, wenn Frontmann Jostein „Trollmannen“ Austvik die Bühne mit einer zwei Meter hohen Krone aus Luftballons betritt, dürfte auch dem letzten klar sein das hier eher der Spaß regiert. Der Rest der Musiker trägt Prinzessinnenkleider, am Mischpult steht die Queen, und die Instrumente sind bunt beleuchtet. Normal ist in diesem Set nichts, das machen die Jungs von Anfang an klar.

Hinter dem Make-Up und Klamauk verbirgt sich handwerklich gut gemachter Folk-Metal mit Einflüssen aus Reggae und Ska. Auch die amerikanische Pop-Kultur wird mit einem gelungenen Cover von Britney Spears‘ „Toxic“ gehuldigt. Musikalisch sauber gespielt, sind Trollfest definitiv die Interaktions-Könige – pardon, -Prinzessinnen des Abends. Sei es, das Publikum bei „Kaptein Kaos“ zu zivilem Ungehorsam aufzurufen, indem die Hälfte des Publikums sitzen bleibt, alle anderen nur nach rechts tanzen, und eine einzelne Person einfach in der Mitte stehen bleiben und nichts tun soll. Oder aber wenn die allseits bekannte Wall of Death kurzerhand zur Wall of Love umbenannt wird. Statt in einem wilden Moshpit endet dieses in ein liebreizenden Massenumarmung und vielen neuen Freundschaften.

50 Minuten dauert das Spektakel, zu lang für Bassist Øyvind Bolt Strönen „Lodd Bolt“ Johannesen (ja, der heißt wirklich so). Nachdem er zwischenzeitlich eine Polonäse durch die Halle und den Außenbereich angeführt hat, drückte wohl beim letzten Song die Blase, sodass er sich kurzer Hand (verzeiht mir das Wortspiel) crowdsurfend zu den Toiletten bringen ließ. Kein Zweifel, Trollfest weiß ihr Publikum mitzureißen, Stimmung aufzubauen und immer wieder für Lacher zu sorgen. So vergeht das Set extrem kurzweilig in einer riesen Party. Das Z7 ist zu diesem Zeitpunkt nämlich schon extrem voll und fast ausverkauft. Ein mittlerweile leider seltenes Bild beim ersten Support.

Kürzer als erwartet ist die Umbauzeit. Die Roadies klotzen richtig ran, denn für den nächsten Act muss die die Bühne erstmal auf- und umgeräumt werden. Über 20 Jahre gibt es Turisas bereits, viele Wechsel in der Besetzung hat die Band mitmachen müssen, doch seit 2012 hat sich eine stabile Formation rund um Frontmann Mathias „Warlord“ Nygård. Zusammen mit Gitarrist Jussi Wickström bildet er die Konstante in der Formation der Band aus Finnland.

Der Wechsel im Genre könnte kaum krasser sein an diesem Abend. Von ungezähmter Party-Musik hin zu epischem Battle-Metal. Die Make-Up Artists von Trollfest hatten wohl noch Schminke über, denn zu den martialischen Kostümen stürmen die fünf Männer und Gast-Geigerin Caitlin De Ville in rot-schwarzer Kriegsbemalung die Bühne. Schon der erste Song „As Torches Rise“ lässt keinen Zweifel aufkommen: Jetzt gibt’s was auf die Ohren. Episch, brachial und mit viel Pathos wird ein abwechslungsreiches Set zum Besten gegeben. Am Anfang noch etwas verhalten lockert das Publikum spätestens beim Mitgröhl-Song „Hunting Pirates“ auf. Die Stabilität der letzten Jahre hat der Band gut getan. Ihre Spielfreude überträgt sich auf die Menge und lässt ohne großes Fordern Hände und Pommesgabeln im Takt in die Höhe fliegen.

Bei „Battle Metal“ wird der klischeehafte Gesangskampf Links gegen Rechts auf beschworen, was auf Grund des Aufbaus des Z7 aber ein wenig unfair ausgeht. Als Belohnung fürs Mitmachen gibt es ein kurzes Drumsolo aus der Feder von Jaakko Jakku. Die Bühne wird schwarz, und man wähnt schon das Ende des Sets kommen. Doch plötzlich steht die vorher noch als Amazone gekleidete Geigerin Caitlin im weißen Abendkleid auf der Bühne und spielt ein herzzerreißendes Solo, welches in das Intro von „Five Hundred and One“ übergeht. Turisas können also auch mit Gefühl – gut, das muss dann aber auch reichen, denn mit „Stand up and Fight“ steuern wir auf einen Höhepunkt des Sets zu. Den Abschluss bildet das Cover von Boney Ms „Rasputin“. Schon seit Jahren ist dieser Song im Gepäck und sorgt immer wieder für einen schönen Abschluss.

Mal wieder wird die Bühne dunkel. 75 Minuten Setlänge sind für einen Support schon eine beachtliche Leistung, und so verwundert es kaum, dass schon einige Raucher und Frischluft-Bedürftige gen Ausgang strömen. Die ersten Roadies sind auch schon wieder auf der Bühne unterwegs, was den Eindruck des Endes noch unterstützt, doch für einen richtigen Umbau ist die Bühne eigentlich zu dunkel. So stehen die Sechs kurzer Hand in typischer Steve Jobs-Manier und geben einige Zugaben. „One More“, „The March of the Varangian Guard“ und „For Your Own Good” werden in fantastisch arrangierten Akustik-Versionen vorgetragen, für die die Umbauten nötig waren. Mit diesen Zugaben bringen es die Turisas auf insgesamt 90 Minuten Setlänge, nicht nur das hat durchaus Headliner-Qualitäten.

Es ist schon viertel vor Zehn, die bisherigen Auftritte haben schon ordentlich an den Kräften des Publikums gezehrt. Da betreten die Gastgeber und die zweite finnische Band des Abends die Bühne. Korpiklaani haben sich einen festen Platz auf den Bühnen Europas und diversen Festivals erspielt. In ihrer Heimat hingegen haben sie es schwer, denn dort werden sie oft „Alte-Leute-Musik mit Heavy-Metal-Gitarren“ wahrgenommen. Ja, die Finnen können sich nun wahrlich nicht über einen Mangel an Metalbands beschweren.

Die Sechs Jungs rund um Frontmann Jonne Järvelä spielen an diesem Abend zu großen Teilen ihr aktuelles Album „Kulkija“, streuen aber auch immer wieder ältere Songs wie „Man with a plan“ oder „Lempo“ ein. Es ist schon ungewöhnlich, dass es eine Band schafft, das Publikum mit einer Gesangssprache mitzureißen, die vermutlich niemand im Publikum versteht. Doch die eingängigen Melodien und Rhythmen verleiten immer mehr Zuschauer zum Tanzen und Springen. Die seltenen Songs auf Englisch sind da eine willkommene Abwechslung, um neben den Bewegungs- auch nochmal die Stimmmuskeln des Publikums zu animieren.

Abwechslung braucht auch Jonne. In der ersten Hälfte des Sets versagt teilweise seine Stimme in hohen langen Passagen. Einen längeren Instrumentalteil zur Hälfte des Sets nutzt er, um sich kurz zu erholen. Die Pause war gut genutzt, denn in der zweiten Hälfte kann er wieder voll angreifen und die Menge mitreißen. Nach einer Stunde Setlänge wird das Publikum allerdings langsam unruhig. Man merkt ihnen an, dass dieses Folk-Fest so langsam die letzten Kräfte aufgefressen hat. Dass hindert die sechs Männer aus dem Wald aber nicht daran, nochmal aufzudrehen und sich erst nach „Wooden Pints“ eine kurze Pause zu gönnen.

Die Zugaben wurden von den Chaos-Trollen unterstützt, denn „Beer Beer“ (hier unser Review) läutet nun endlich die letzten Runden des Abends ein. Noch kurz einen „Vodka“ als Absacker, unterstützt von Jesper von den Turisas gibt’s dann noch das Outro, und fertig ist das finnische Folk-Fest in drei Akten.

So unterschiedlich die Bands auch sind, so harmonisch wirkt doch der ganze Abend. Wirklich jeder im Publikum ist auf seine Kosten gekommen und verlässt das Z7 in Pratteln mit einem seligen Grinsen im Gesicht.

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Über den Autor des Beitrags

Eightrocks

Hört am liebsten Symphonic- sowie Powermetal, kann sich aber auch für Pagan und Metalcore begeistern. Wenn er gerade einmal nicht mit Achterbahnen spielt, ist die Kamera im Anschlag.

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