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Creeper – Sex, Death & The Infinite Void

Das große Drama scheinen die Briten von Creeper zu mögen: Ihr Konzert im November 2018 in London soll mit dem Satz “not only is it the last show of this album, but it’s the last show that we’ll ever do” geendet haben. Also ziemlich genau mit den Worten, mit denen in derselben Stadt einst David Bowie seinen letzten Auftritt als Ziggy Stardust abgeschlossen hat, um sein schrilles Alter Ego sterben zu lassen.
Danach war es jedenfalls erst einmal still um das Glam-Goth-, Horror-Punk-, Emo-Gothic-Rock-, oder wie der Stil auch immer gelabelt wurde-Sextett, bevor dann schließlich zehn Monate später ein Konzert für den Jahrestag der — zumindest angedeuteten — Auflösung angekündigt wurde. Gleichzeitig wurde schon eine neue Single namens “Born Cold” aus dem Köcher gezaubert, und etwas später dann endgültig die Wiedergeburt der Band und auch das zweite Album “Sex, Death & The Infinite Void” angekündigt — ursprünglich für Mitte Mai 2020.

Wegen Corona, Masks & The Infinite Lockdown, sozusagen, wurde der Release allerdings auf den Sommer verschoben und in der Zwischenzeit immer mehr Material vorab veröffentlicht. So war schon früh zu erkennen, dass Creeper auf dem neuen Album einiges anders klingen werden. Wesentlich weniger Horror und vor allem weniger Punk, weniger hart, dafür mehr Glam-Rock, Brit-Pop, Rockabilly, mit etwas Americana- und trotzdem einigem Gothic-Touch.
Frontmann Will Gould zeigt sich in den Videos dazu nun, anstatt mit langer Mähne, auch mit kurzer Emo-Frise und weit umschminkten Augen. Insofern war, bei all dem Wandel, der theatralische Band-Tod und die anschließende Auferstehung gar nicht unpassend.

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Video zu “Cyanide”

Das Album in ein Konzept zu zwängen (ein Junge zieht in eine neue Stadt, kommt vom Weg ab, trifft ein Mädchen, verliebt sich und die Welt, wie sie sie kannten, endet), hätte es für mich nicht unbedingt gebraucht, genauso wenig wie das Intro und die drei Interludes, in denen Patricia Vanian (früher Patricia Morrison, Ex-Sisters of Mercy und Ex-The Damned) neben Sänger Gould den weiblichen Part der zum Scheitern verdammten Romanze spricht.

Musikalisch kann aber so ziemlich jeder der elf Songs überzeugen — allen voran sicher die ersten drei Singles “Born Cold” (Emo-Punk-Rock à la Panic at the Disco auf “A Fever You Can’t Sweat Out”), “Annabelle” (Brit-Pop-Rock) und der stärkste Song des Albums: “Cyanide” (siehe eingebettetes Video).
Aber auch das Country-lastige “Poisoned Heart”, in dem Gould mit Bariton-Gesang überrascht, das walzernde und wieder erst einmal tief und mit etwas Elvis-Schmalz gesungene “Thorns of Love”, das dann mit dem Refrain zur Hymne mutiert oder beispielsweise das wieder rockigere “Napalm Girls” überzeugen mit Variantenreichtum und einem Gespür für eingängige Passagen und unerwartete Wendungen.
Etwas sehr aus der Reihe tanzt nur die leise Piano-Ballade “All My Friends”, der einzige unmittelbar autobiografische Song der Platte, den Gould für seinen Kumpel, den Gitarristen und Co-Songschreiber der Band Ian Miles, geschrieben hat, als Miles in den Monaten zwischen besagtem Abschlusskonzert und dem Neuanfang in die Psychiatrie eingewiesen wurde und die Band tatsächlich kurz vor dem Aus stand. Als Ausklang des Albums macht aber auch dieser Song einen guten Job.

Creeper zeigen sich mit “Sex, Death & The Infinite Void” von einer neuen Seite und punkten vor allem mit einem mutigen Stil-Mix, mit Abwechslung statt Langeweile und mit einer guten Portion Eingängigkeit. Für mich das interessanteste Album des bisherigen Jahres!Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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