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Tocotronic – Wie wir leben wollen

Entwaffnend ehrlich beginnt „Wie wir leben wollen“ mit dem Song „Im Keller“, darin die Zeilen „Ich war keiner von den Stars, ich war höchstens Mittelmaß, doch schwere Arbeit war es nicht für mich“. Schön, so kann man die Karriere der Hamburger Band Tocotronic auch auf den Punkt bringen. Trotz allem schwer zu glauben, brachte man zu Beginn 4 Alben in 2-einhalb Jahren heraus. Dieses strenge Berserkertum hat sich aber mittlerweile gelegt.

Die Band im Dirk von Lowtzow besteht nun auch schon 20 Jahre, was man im Song „Vulgäre Verse“ anklingen lässt. Gegebenheiten zu hinterfragen und mit Routinen zu brechen ist für Tocotronic nichts Neues. So gönnte man sich 2011 ein Sabbat-Jahr, in dem man auf Auftritte verzichtete. „Wie wir leben wollen“ entstand nach der Berlin-Trilogie („Pure Vernunft darf niemals siegen“, „Kapitulation“, „Schall und Wahn“) diesmal in – Berlin – in einem neuen Studio beim Flughafen Tempelhof. Aufgenommen wurde mit einer alten 1-Zoll 4-Spur-Tonbandmaschine. So versetzte man sich in die Position, die Soundarchitektur vorher festzulegen, im Nachhinein konnte produktionstechnisch nicht viel verändert werden, so bekommt man also Tocotronic pur. Für die Musiker sicherlich eine Herausforderung, so erscheint der zum Ende hin anschwellende Song „Warm und grau“ noch eindrucksvoller. Der Sound des Albums wirkt durch die Analogaufnahme wärmer und trotzdem alles andere als altbacken.

Die Single „Auf dem Pfad der Dämmerung“ lieferte vorab schon einen Radiohit, gehaltvolle Lyrik in leichtem Popgewand unter das Volk gebracht. Auch die weiteren Stücke funktionieren ähnlich, musikalisch eher sanft findet man sanfte Worte zu unbequemen Themen, für die Abschottung Europas gegenüber Flüchtlingen („Neue Zonen“), dem neoliberalen Zwang zur Selbstverwirklichung („Wie wir leben wollen)“, oder man beschäftigt sich verklausuliert schwurbelig mit der Liebe („Warte auf mich“) oder schlicht mit sich selbst. Das zehnte Album „Wie wir leben wollen“ lässt keine Nachlässigkeiten erkennen, man bekommt Erwartetes, das aber in hoher Qualität.Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Chris

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