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Rebekka Karijord – Mother Tongue

Die in den Beiträgen über dieses Album meistzitierte Aussage dürfte wohl jene werden, mit der auch der Promo-Text aufmacht. Sie wisse für gewöhnlich erst kurz vor der Fertigstellung eines Albums, wovon es handeln würde, beschreibt die im Norden Norwegens aufgewachsene und in Stockholm lebende Rebekka Karijord darin ihre sonst gewohnte Arbeitsweise. Für ihr neues Album lief die Arbeit zwar nicht verkopfter ab — oder irgendwie unnatürlicher, trotzdem ist aber so etwas wie ein Konzeptalbum daraus geworden. Das Thema lag eben einfach auf der Hand.

Zunächst einmal erscheint es vielleicht als Widerspruch, dass Karijord auf einem Album mit dem Titel “Mother Tongue” englisch singt, und nicht etwa in der Sprache ihrer Eltern. Mit Muttersprache ist in diesem Fall aber wohl eher die nonverbale Kommunikation gemeint — wenngleich auch durch Gesang, aber mehr durch Melodien, durch die Stimme und die dadurch entstehenden Vibrationen.
In den elf Stücken bündelte Karijord nämlich hauptsächlich all die Erlebnisse und Gefühle, die sie während der Schwangerschaft, mit der Geburt ihrer ersten Tochter und der schwierigen Zeit danach durchlebt hat. Das Kind kam in einer ziemlich spontanen Operation und ganze drei Monate zu früh auf die Welt und musste natürlich anschließend für einige Zeit mit allerlei Maschinen versorgt werden.

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Video zu “Home”

In letzterem Umstand sieht Karijord auch die mögliche Ursache dafür, dass sie auf “Mother Tongue” nun auch etwas mehr mit Elektronischem gearbeitet hat. Nach revolutionärer Neufindung klingt das Ergebnis aber nicht. Harfe und Klavier sind beispielsweise ebenso immer wieder zu hören. Die Stücke sind hauptsächlich ruhig und muten irgendwie zauberhaft an — in ihrer Art irgendwie unvergleichbar (und wenn, dann mit einigen Stücken auf den ersten Alben von Tori Amos, wie ich finde).
Aus dieser Stimmung hebt sich vor allem das poppige, etwas schwungvollere und sehr eingängige “The Orbit” ab. Letztlich bilden aber alle Stücke, inklusive z.B. dem souligen Gospel-Titelsong, eine starke, stimmige Einheit. Selbst das anfangs wohl etwas befremdlich wirkende Zwischenstück “I Follow You Into The Wild” mit den Gesängen der Hawaiianischen Heiligen Kekuhi Keali’ikanaka’oleohaililani oder das abschließende A-capella-Stück “Mausoleum”, in dem Karijord den Müttern ihres Familien-Stammbaums quasi ein Denkmal setzt, erscheinen einem genau an dieser Stelle genau so richtig.

Wer seinen Ohren vielleicht nicht nur Metal oder Hip-Hop gönnt, wird vermutlich schon das eine oder andere Mutterglück-Album gehört haben. Und vermutlich wird man dabei auch schon die Erfahrung gemacht haben, dass man als Hörer (der höchstwahrscheinlich gerade kein Neugeborenes zu Hause hat) oft einfach nicht auf derselben Wolke schwebt und sich vom Künstler irgendwie abgehängt fühlt.
“Mother Tongue” mag schon alleine deswegen anders sein, weil in dessen Entstehungszeit eben nicht alles heiter Sonnenschein war. Es ist kein pures Geträller überschäumenden Glücks. Es zeigt verschiedene Facetten des bewegenden Lebensabschnitts, und so sind neben Euphorie eben auch Ängste und das Gefühl des Kontrollverlustes Themen der Songs. Hier heißt es auch mal “my body is a home to a will of its own” oder “this is a riot of blood and steel, bending me open, violently”.
Das Album klingt geheimnisvoll, stellenweise spirituell, sakral und nimmt einen auch nach zahlreichen Durchläufen immer wieder über eine Dreiviertelstunde komplett gefangen. Eines meiner neuen Lieblingsalben!Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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