Mandragore: Die Geheimgesellschaft im Schatten von Sherlock Holmes
Seit 2010 hat der französische Comic-Autor Sylvain Cordurié offenbar einen Narren am viktorianischen Zeitalter und besonders auch an Sir Arthur Conan Doyles Detektiv Sherlock Holmes gefressen. Dabei beschränkt er sich aber nicht darauf, Holmes einfach neue Abenteuer auf den Leib zu schneidern.
Stattdessen versetzt er das ohnehin schon spannende Zeitalter mit phantastischer Mystery und etwas Science-Fiction. Vampire, schwarze Magie, Dämonen – also Doyle meets Stoker meets Lovecraft. So entstanden Bücher wie “Sherlock Holmes & Die Vampire von London” (schon einmal in deutsch bei Mosaik erschienen; Mai 2016 dann als Neuauflage bei Splitter), “Sherlock Holmes & Das Necronomicon”, “Sherlock Holmes: Crime Alleys” und weitere.
Auch mit “Mandragore: Die Geheimgesellschaft im Schatten von Sherlock Holmes” verfolgt Cordurié denselben Ansatz. Da das Ganze offenbar gut ankommt, eine eigene Domäne darstellt und außerdem noch einen so schnell nicht zu erschöpfenden Vorrat an Möglichkeiten bietet, wäre alles andere auch verwunderlich.
Allerdings, so viel schon vorweg, hat die Geschichte dieses Splitter Doubles (Vereinigung der beiden Original-Bände) trotz seines (deutschen) Untertitels keinerlei Berührungspunkte zu Holmes.
Protagonistin der Geschichte ist die rotschopfige Lynn Redstone. Mit ihren übermenschlichen Kräften ist sie quasi der schlagkräftige Arm der Londoner Geheimgesellschaft “Fathers of Realms”, deren Aktivitäten sie ohne weiteres Hinterfragen unterstützt. Was Lynn allerdings nicht ahnt, ist, dass Anführer Ambrose Gunderson dabei ist, in seiner Gier nach Macht den Untergang der menschlichen Welt zu besiegeln.
Zwanzig Jahre vor der eigentlichen Handlung bewarb sich seine Gesellschaft — neben anderen Geheimbünden der Stadt — um ein partnerschaftliches Projekt mit der dämonischen Welt und erhielt schließlich den Zuschlag. Bei diesem Vorhaben geht es um nichts Geringeres als den Bau einer Brücke zwischen der Ebene der Menschen und der der Dämonen. Eine Brücke, über die die gesamte Dämonenwelt schließlich ungehinderten Zutritt auf unsere Seite bekäme und dort wohl kein Stein auf dem anderen ließe. Und nun, im Jahr 1892, steht die Brücke kurz vor der Fertigstellung.
Als die anderen Geheimgesellschaften die Gefahr (vor allem des drohenden Machtverlustes) erkennen, versuchen sie, sich mit geeinten Kräften Ambrose Gunderson in den Weg zu stellen. Der weiß aber den furchteinflößenden Dämonen-Häuptling Nabazg und ein loyales Gefolge an seiner Seite. Doch auch sein Bruder Marcellus stämmt sich mit mächtiger Magie gegen das gefährliche Projekt. Außerdem droht auch Lynn aus seinem Einflussbereich zu entgleiten. Und das, obwohl sie eine ganze besondere Rolle in dem Ganzen spielt…
Dein Blut… Dieser Geruch… Du bist wie ich!Der dämonisierte Eastman zu Redstone
Da hat sich Zeichner Marco Santucci, der auch schon mit Spiderman und Captain America für Marvel aktiv war, bei der Arbeit sicher sehr wohl gefühlt. Sieht man nämlich die toughe Lynn Redstone in ihrem ziemlich modern erscheinenden, engen Dress durch die Lüfte springen und grässliche Dämonen-Monster verprügeln, könnte man erst einmal den Eindruck bekommen, man hätte einen Superhelden-Comic von Marvel — oder natürlich DC ;) — vor der Nase. Diese optische Auffälligkeit war sicher so beabsichtigt. Daneben kommt aber auch die Stimmung aus dem alten London sehr passend herüber.
“Mandragore: Die Geheimgesellschaft im Schatten von Sherlock Holmes” bietet eine unter dem Strich sehr unterhaltsame und klug aufgebaute Story, für die es allerdings nicht ausreicht, auf Comics aus dem alten England zu stehen. Bei all dem “Übernatürlichen” gehört schon auch ein gewisses Maß an Aufgeschlossenheit gegenüber Fantasy-Elementen dazu — wie das eben bei dieser Art Bücher von Cordurié ist.
Die (scheinbar?! vorerst?!) zusammenhangslose Nennung des Promis im Untertitel sehe ich etwas kritisch. Es bleibt zwar abzuwarten, ob Cordurié damit für zukünftige gemeinsame Abenteuer mit Lynn Redstone (oder den Geheimbünden) und Sherlock Holmes vorarbeiten wollte — und einen solchen Titel würde ich wirklich gerne lesen. Andererseits lädt das Ende dieses Buches nicht unbedingt zu einer Fortsetzung ein. Man darf gespannt sein!
Eine Vorschau mit ein paar Seiten bekommt ihr auf der Seite zum Buch bei Splitter.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…