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Year Zero 01

Mit “The Walking Dead” ist das Zombie-Genre wieder voll in Mode gekommen. TV-Serien und Comics mit sabbernden Beißern gibt es in einer Fülle, die kaum zu überblicken ist. Immer wieder sorgt irgendein Virus dafür, dass sich nahezu die gesamte menschliche Bevölkerung — abgesehen natürlich vor allem von den in der Postapokalypse ums Überleben kämpfenden Protagonisten — in hirnlos herumschlurfende Zombies mit Hunger auf frisches Fleisch verwandelt.
Braucht es da also wirklich noch einen weiteren Comic mit einem “Zombie-Virus”? Zumal wir von Viren, die das öffentliche Leben lahmlegen seit dem Frühjahr 2020 ja wahrlich die Schnauze gestrichen voll haben. Nun ja, es kommt darauf an!
Wenn der Autor einen frischen Ansatz wählt, um das alte Zombie-Virus-Thema neu anzugehen, dann kann das nämlich durchaus immer noch sehr unterhaltsam werden. Der bei Cross Cult erschienene erste Band von “Year Zero” versucht genau das.

© Cross Cult

Im Mittelpunkt stehen fünf ganz verschiedene Personen: Eine Polarforscherin, die mit ihren Bohrungen im Eis eigentlich neue Erkenntnisse im Kampf gegen den Klimawandel gewinnen will, dabei aber die größte Katastrophe über die Menschheit ins Rollen bringt. Ein Waisenjunge, der in Mexiko City auf der Straße lebt. Ein Auftragskiller der Yakuza in Tokio. Eine afghanische Übersetzerin, die in Kabul für das US-Militär arbeitet. Und schließlich ein Prepper in Burnsville, Minnesota, der sich zu Hause im Bunker mit jeder Menge Verpflegung und Hightech verschanzt hat.
Sie alle befinden sich seit dem Ausbruch der Pandemie, seit Beginn der neuen Zeitrechnung, dem Year Zero, in einer vollkommen veränderten Welt, erleben aber ihre jeweils ganz eigenen Geschichten.

Horror ist ein zerbrochenes Spiegelbild der Realität”, schreibt Benjamin Percy, der Autor der Geschichte in einem Nachwort, das am 3. März 2020 entstanden ist und somit ebenfalls noch bevor das mit dem Corona-Virus so richtig losgegangen ist. Vielmehr hatte er dabei an die ganzen anderen Negativ-News gedacht, die ständig aus allen Teilen der Welt auf uns einprasseln und in der Folge dem Thema “Zerstörung der Welt” in Film, Fernsehen und Literatur zu größter Beliebtheit verhelfen.

© Cross Cult

Konzeptionell hatte er für “Year Zero” deshalb die Idee, das Bild des zersplitterten Spiegels als Inspiration für den Stil und die Erzählweise zu benutzen. Die fünf (bislang zumindest voneinander unabhängigen) Geschichten zu den genannten Hauptfiguren werden in vielen kleinen Teilen von oft nur zwei, manchmal auch bis zu fünf Seiten erzählt. Danach wechselt der Schauplatz, die Hauptfigur, die Handlung — zum Teil auch die Zeit zwischen “damals” (vor dem Ausbruch) und “heute”.
Nur allmählich, Stück für Stück, wird so das gesamte Mosaik jedes Handlungsstrangs erkennbar. Künstlerisch geht das Ganze so weit, dass selbst der Kolorist Lee Loughridge für jeden Strang eine eigene Farbpalette definiert hat.
Zum Ende jeder der fünf Einzelausgaben, die in diesem Sammelband enthalten sind, werden dann noch historische bzw. alternativ-historische Geschehnisse (z.B. über Da Vinci oder das antike China) gezeigt, die, ebenfalls wie ein Puzzle angelegt, Stück für Stück Hinweise über die Herkunft des Virus geben sollen.

Seine Machart und Optik verleiht “Year Zero” eine angenehme Frische. Zudem setzt der Comic den Fokus auf die persönlichen Schicksale und Geschichten der fünf Protagonisten rund um den Erdball, anstatt auf “reißerische” Zombie-Action. Tatsächlich sind im ganzen Buch, das übrigens für Leser ab 16 Jahren empfohlen wird, extrem wenig Zombies zu sehen, und in der Horror-Schublade ist das Buch auch nicht ganz passend eingeordnet, bisher. Die Figuren und ihre Stories sind so weit ansprechend. Allerdings ist auch noch nicht so richtig zu erkennen, in welche Richtung sie sich entwickeln sollen.
Damit hat der Comic eine gewisse Ähnlichkeit zu „Trees„. Es bleibt abzuwarten, ob die Macher auch mit den kommenden Ausgaben strikt an diesem Konzept des Erzählens in kleinen Fetzen festhalten — und wie gut das dann funktioniert — oder wie Warren Ellis mit dem zweiten „Trees“-Band dann mit einem Tempowechsel etwas Abwechslung einbringen werden.

Eine Online-Leseprobe mit ein paar Seiten findet ihr auf der Verlagsseite zum Buch bei Cross Cult.Viele weitere Comic-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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