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Avantasia 19.04.2019 Z7-Konzertfabrik, Pratteln (CH)

Zwischen Faszination und Fremdschämen, Begeisterung und Belustigung oder Headbangen und Haare-Raufen. Was Tobias Samet und Avantasia auf die Bühne bringen, ist in jedem Fall gigantisch. Ich erwähnte bereits in meiner Review zum letzten Album „Moonglow“, dass wohl kaum jemand die Metalgemeinde so stark spaltet wie es der 41-Jährige tut. Fakt ist, die beiden angekündigten Konzerte im Z7 in Pratteln waren so schnell ausverkauft, dass man eine Lücke im Booking-Kalender nutzte, um noch ein drittes Konzert hinterher zu schieben. So kam es, dass die sage und schreibe 14-köpfige „Band“ das Osterwochenende im „schönsten Industriegebiet der Schweiz“ (Zitat Samet) verbrachte.

Da bei 14 Leuten im Tourbus wenig Platz für eine Vorgruppe ist, lies man diese einfach weg und entschied sich stattdessen ein extra langes Set mit mehr als drei Stunden Dauer zu spielen. „Drei Stunden“, werden jetzt einige stöhnen, „ich kann da noch nicht mal drei Minuten zuhören“. Und überhaupt, Powermetal war noch nie „True“, wird nie „True“ sein, und Edguy ist eh scheiße. Gut hier steht nicht Edguy sondern „Tobias Samet’s Avantasia“ auf der Bühne. Die Nörgler werden wieder behaupten „Same Shit – Different Name“, doch das würde der Leistung aller Mitwirkenden nicht gerecht werden. Ja, Avantasia spaltet, wird auf kommerziellen Fernsehsendern beworben und hat alleine deshalb jedes Recht verspielt, noch als „True“ zu gelten.

Ich möchte nicht zu sehr abschweifen, denn schließlich soll hier über ein Konzert berichtet werden. Während in Deutschland also Tanzverbot herrscht, nimmt man es in der Schweiz damit nicht ganz so eng. Wegen des guten Wetters wurden sogar die Tore des Z7 zum Innenhof geöffnet um der Menge an Zuschauern mehr Platz und Sauerstoff zu gewähren. Die Bühne war noch durch einen Vorhang komplett verhangen, als sich um 18.30 Uhr die Türen zu den heiligen Hallen öffneten. Genug Zeit, um den Merch-Stand zu plündern oder das eine oder andere hopfenhaltige Kaltgetränk zu genießen.

Schlag 20.00 Uhr begrüßte uns… Beethoven. „Ode an die Freude“ wurde als Intro auserkoren, um direkt in „Ghost in the Moon“ überzugehen. Bei dessen Auftakt fiel dann auch der Vorhang, und der Blick auf eine aufwendig gestaltete Bühne wurde frei. Eine zweite Ebene im Hintergrund, Podeste für Backgroundsänger und Keyboard, detaillierte Laternen als Effektlichter und als Hintergrund eine bühnenfüllende Projektionsfläche. Positiv ist hier auch herauszustellen, dass die Projektionen nicht wie bei den großen Shows von Metallica, Nightwish und Co. für effekthascherische und ablenkende Animationen genutzt wurde, sondern eher als wechselnder Backdrop funktionierten.

Von der ersten Sekunde an ist der Sound perfekt. Man merkt, dass hier eine große Produktion unterwegs ist. Für die Technik-Geeks unter uns: Die komplette Licht- und Videoshow ist Timecode basiert, nur hier und da werden manuell die Blinder angesteuert. Die Crew am Mischpult wirkt auf jeden Fall professionell entspannt. Ähnlich geht es den Musikern auf der Bühne. Jeder weiß um sein Können und die Reaktion der Fans. So bleibt ausreichend Luft zum Rumalbern und Faxen machen. Der Frontmann und Komponist spielt mit den Kameras im Fotograben, während er stimmsicher seine Zeilen von sich gibt.

Gut, das war der erste Song. Keine Sorge, ich werde nicht jeden in dieser Ausführlichkeit beschreiben. Die nächsten 23 machen wir einfach im Schnelldurchlauf. Da die Tour noch ein wenig dauert, möchte ich allen Lesern nicht zu viel spoilern, aber Tobis Ansage trifft es ziemlich gut. „Wir spielen alten Scheiß, wir spielen neuen Scheiß, wir spielen schlechten Scheiß und wir spielen guten Scheiß.“. Das trifft das komplette Set ziemlich gut, denn das Album „Moonglow“ wird fast komplett gespielt. Was davon jetzt was aus der Ansage ist, überlasse ich eurem Urteil. Fakt ist, dass die mitreisenden Sänger und Sängerinnen mal wieder stimmlich ganz weit vorne dabei sind und diesen Abend so herrlich variantenreich machen.

Mit dabei auf dieser Tour sind viele alte Bekannte aus der Avantasia-Geschichte. Zum Beispiel Ronnie Atkins, der Frontmann der „Pretty Maids“ oder Jorn Lande, der in seiner Karriere besonders „Masterplan“ und „Vagabond“ zu seinen Bands zählen konnte. Wer noch „Queensryche“ kennt, dürfte sich auch an Geoff Tate erinnern und auch Mr. Big – Eric Martin durfte wieder nicht fehlen. Der letzte der Leadsänger ist der legendäre Frontmann von Magnum – Bob Caltley. Der 71-Jährige wirkt so fit wie lange nicht mehr. Das hat man auf alten Touren schon schlechter gesehen. Die Stimme ist immer noch gewaltig und überstrahlt oft den „Nachwuchs“.

Apropos Nachwuchs: Auf dem Podest der Background-Vocals fanden sich neben dem bekannten Herbie Langhans zwei Neulinginnen auf der Moonglow-Tour ein. Da wäre zum einen die brutale Adrienne Cowan, die schon zu Anfang mit ihren harten Growls überrascht und zum anderen auch sauberen Clean-Gesang rüber bringt. Für den lieblichen Teil zeigt sich Ina Morgan verantwortlich, die fast elfenhaft über der Bühne zu schweben scheint. Leider fehlen auch zwei, deren Stimmen eigentlich unverzichtbar sind. Kai Hansen und Michael Kiske scheinen sich über Avantasia so lieb gewonnen zu haben, dass sie aktuell lieber an der zweistimmigen Reuinion von Helloween basteln und dort all ihre Kraft reinstecken.

Haben wir noch ein Mikrophon vergessen? Achja, Klampfengott Oliver Hartmann muss manchmal Kiske ersetzen, wohl weil beide dieselbe Frisur tragen. In der Band gibt es übrigens keine Überraschungen. Alle sind alte Bekannte, seit Jahren beim Projekt von Tobias Samet dabei und kennen die Songs auswendig. Drummer Felix Bohnke hat man vorsichtshalber in ein Gefängnis aus Plexiglas gesteckt, sein Kit ist auf jeden Fall göttlich abgemischt und vermag jede Spielart hervorragend rüberzubringen. Sascha Päth ist ebenfalls wieder dabei und zupft die Saiten, als ob es kein Morgen gäbe.

Nachdem die Auflistung der Besetzung jetzt länger gedauert hat, als bei manchen Bands das komplette Konzert, lassen wir die Setlist nochmal wirken. Wie angekündigt bekommen wir ein buntes Potpourri aus allen Alben, mit einer deutlichen Dominanz von „Moonglow“. Selbst das Maniac-Cover wird von Eric Martin zum Besten gegeben. In der Ankündigung hieß es, dass Metal machen darf was er will. Nunja, das Cover ist auf jeden Fall eigenwillig und passt zur Stimmlage des Mr. Big Frontmanns, der als einziger nicht so richtig fit wirkt.

Ein Avantasia-Konzert ist, wie zum Einstieg erwähnt, eine Gratwanderung. Man weiß nie so recht, ob man das, was auf der Bühne passiert, jetzt feiern soll oder lieber peinlich berührt das Weite sucht. Das Publikum was sich schon frühzeitig für dieses Auftaktkonzert die Tickets gesichert hatte, hing seit dem ersten Ton an den Lippen aller Sänger und Sängerinnen. Es wurde gefeiert, die Pommesgabel in die Luft gereckt und wenn möglich der Kopf im Takt geschwungen. Nach drei Stunden war aber allen die Erschöpfung anzumerken.

Die Zugaben waren, wie gewohnt, „Farewell“ und das mit allen Stimmen in den Äther geschmetterte „Sign of the cross“-/„The seven angels“-Medley.  An diesem Punkt des Abends bleibt kein Zweifel, dass Tobias Samet mit Avantasia in der Lage ist, eine Party für die Massen zu schmeißen. Teilweise anspruchsvoll, teilweise beliebig, oftmals albern. Den zahlenden Gästen gefiel es, denn selten habe ich nach einem Konzert so viele grinsende Menschen gesehen. Und wenn sich über 2000 Menschen einen Abend lang ihren Gefühlen hergeben, eine Band feiern und am Ende einfach nur noch glücklich sind, dann ist das definitiv „true“.

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Über den Autor des Beitrags

Eightrocks

Hört am liebsten Symphonic- sowie Powermetal, kann sich aber auch für Pagan und Metalcore begeistern. Wenn er gerade einmal nicht mit Achterbahnen spielt, ist die Kamera im Anschlag.

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2 thoughts on “Avantasia 19.04.2019 Z7-Konzertfabrik, Pratteln (CH)”

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