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Steven Wilson
18.07.2018 ZMF, Freiburg

Am vergangenen Mittwochabend (18.07.2018) eröffnete bei schönstem Sommerwetter Steven Wilson das mittlerweile 36. Zelt-Musik-Festival in Freiburg. Mit seinem damals aktuellen Album “Hand.Cannot.Erase.” war der Brite schon vor zwei Jahren im Zirkuszelt zu Gast, damals als Ersatz für ein Konzert, das von Künstlerseite leider abgesagt werden musste. Seitdem ist seine Solo-Diskographie und somit das Repertoire für die Live-Shows um zwei weitere Einträge angewachsen: zum einen das Übergangsalbum “4 ½” und zum anderen sein fünftes Album “To The Bone” (2017), das die aktuelle Tour schließlich betitelt.

In der Prog-Rock-Szene gilt er als Mastermind, ist dort hauptsächlich für seine Band-Projekte Porcupine Tree und Blackfield bekannt, bringt aber eben seit einigen Jahren überwiegend Musik unter seinem eigenen Namen heraus. Er ist autodidaktischer Multi-Instrumentalist, mehrfach Grammy-Nominierter, konstruiert extrem vielschichtige, ausgedehnte Kompositionen zwischen Rock und Pop und ist dazu viel beschäftigter Produzent. In der Breite ist er allerdings trotzdem wenig bekannt. Obwohl er durchaus auch selbst Pop-Fan ist und seine Musik auch entsprechende Einflüsse hat, sind es eben doch oft ellenlange Kompositionen, die vom Kopf wohl zuerst verarbeitet werden müssen, um vollständig zu wirken. Kaum Radio-gerechte Kost, also.
Bei einem doch recht stolzen Preis von rund 65€ war es trotz Qualität, die so ein Act verspricht, daher nicht so sehr verwunderlich, dass das ZMF-Zirkuszelt nicht ausgebucht war. Die Manege war locker gefüllt, ein paar weitere standen und saßen auf den Rängen. Für eine gute Stimmung — so viel vorweg — reichte es aber gut aus.

Die Bühne war zunächst mit einem durchsichtigen Vorhang versehen. Er diente als Leinwand für eine Intro-Sequenz, die per Beamer darauf gestrahlt wurde. Etwas später tauchte die Band auf und fing hinter dem Vorhang zu spielen an. Den Blick aus dem Publikum trübte das kaum und bot zudem die Möglich, im zweiten Song “Pariah” die israelische Sängerin und TV-Casting-Gewinnerin Ninet Tayeb, die in einigen Songs der letzten beiden Alben zu hören ist, “virtuell” mit auf die Bühne zu bringen.
Auch im weiteren Verlauf kam der Vorhang immer wieder mal zum Einsatz. So wurden zum Beispiel Fotos eingeblendet, um die Geschichten und Statements der Songs zu untermalen oder es wurden tanzende Figuren auf die Bühne gebeamt, die ein bisschen wie Hologramme wirkten. Sehr faszinierend! Auf der an der Bühnenrückwand angebrachten LED-Wand liefen dazu, ähnlich wie beim Auftritt 2016 (hier übrigens unser damaliger Beitrag dazu), zum Teil die zu den Stücken gehörenden Videos oder sonstige Sequenzen.

Wilson, der übrigens stets barfuß auftritt — aus Gewohnheit und für ein besseres Gefühl für seine Effekt-Pedale — wechselte, wie auch schon vor zwei Jahren, im Verlauf des Konzerts immer wieder das Instrument, spielte hauptsächlich E-Gitarre, mal Akustik-Gitarre, mal Bass und saß auch mal am Keyboard.
Hin und wieder unterhielt Wilson sein Publikum mit einigem Humor auch zwischen den Songs. So machte er im Publikum die drei bis zehn Unter-25-Jährigen aus und erklärte ihnen was eine E-Gitarre ist — genauer gesagt seine “aggressiv” klingende 1963er Fender Telecaster, mit der er anschließend einen seiner etwas heftigeren Titel “People Who Eat Darkness” spielte. Dabei lässt er auch nicht aus, ein wenig gegen rothaarige Akustik-Klampfer zu sticheln, die heutzutage (mit für Wilson’sche Verhältnisse wohl lächerlich einfach gestrickter Musik) millionenfach Alben verkaufen.

Der Auftritt bot schließlich zwei Stunden lang ein Wechselbad lauten und leisen Tönen, persönlichen Geschichten und gesellschaftskritischen Statements, zwischen Songs und Songabschnitten mit gedrückter Stimmung und solchen, die bunt poppig klingen, wie beispielsweise das mit gedachtem Kniefall vor ABBA und Pink Floyd, seinen beiden magischen Kindheitserinnerungen, angekündigte “Permanating”, das stellenweise auch nach den Beatles klingt. In der Setlist (s.u.) waren neben Titeln der letzten zweieinhalb Solo-Alben zudem auch ein paar Songs aus den Repertoires von Porcupine Tree und Blackfield zu finden.

Fazit: Ein toller Auftakt mit einem akustischen wie optischen Leckerbissen für das diesjährige ZMF, den eigentlich nur noch ein größerer Publikums-Zuspruch hätte besser machen können.

Setlist des Abends:
  1. Nowhere Now 1)
  2. Pariah 1)
  3. Home Invasion / Regret #9 2)
  4. The Creator Has a Mastertape 4)
  5. Refuge 3)
  6. People Who Eat Darkness 1)
  7. Ancestral 2)
  8. Permanating 1)
  1. Song Of I 1)
  2. Lazarus 6)
  3. The Same Asylum As Before 1)
  4. Vermillioncore 1)
  5. Sleep Together 5)
  6. Blackfield 7)
  7. Zugabe: Sound Of Muzak 4)
  8. Zugabe: Song Of Unborn 1)
1) vom Album “To The Bone
2) vom Album “Hand. Cannot. Erase.
3) vom Zwischen-Album “
4) vom Porcupine Tree-Album “In Absentia”
5) vom Porcupine Tree-Album „Fear Of a Blank Planet”
6) vom Porcupine Tree-Album “Deadwing”
7) vom Blackfield-Album “Blackfield”

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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