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Von Wegen Lisbeth (Support: Anna Erhard) ZMF Freiburg | 21.07.2023

2015 war die Berliner Indie-Band Von wegen Lisbeth das erste Mal auf dem Freiburger Zelt-Musik-Festival zu Gast — damals noch im Vorprogramm von AnnenMayKantereit und im kleineren Spiegelzelt (wir berichteten). Damals war das erste Album („Grande“, 2016) noch gar nicht erschienen und am ehesten der Vorbote „Sushi“ bekannt. Drei Jahre später, die Kunde von äußerst pointierten Alltagsbeschreibungen auf mitunter ziemlich tanzbarer Musik hatte sich längst herumgesprochen, kamen die Lissis dann für eine „eigene“ Show aufs ZMF zurück und hatten das Spiegelzelt prompt voll bekommen.
Und noch einmal fünf Jahre später, nämlich heuer, 2023? Da sorgt der sympathische Fünfer im wesentlich größeren Zirkuszelt für eine volle Hütte. Und da konnten selbst die großartige Joss Stone, Katie Melua oder auch Revolverheld nicht mitziehen!

Als um 20 Uhr Anna Erhard als Support die Veranstaltung eröffnete, war das Zelt schon recht gut gefüllt. Die ebenfalls in Berlin lebende Schweizerin, die ganz lässig in Socken und Badelatschen selbst ans Mikro trat, Gitarre spielte und hin und wieder auch mal einen Synthie beackerte, kam mit zwei weiteren Musikern – einem Bassisten und einem Drummer – auf die Bühne.
Letzterer in einem aufgeblasenen Dino-Kostüm, aus dem er durch ein Guckloch im Bauch des Ungetüms schmunzelnd herausschaute. Ob er eine Wette verloren hatte oder das das gewohnte Bühnen-Outfit war? Ein Gag, jedenfalls, der in der Zeltsauna der vergangene Jahre so wohl ein Schuss ins eigene Knie gewesen wäre. Bei den diesjährigen ZMF-Konzerten war das bei besser erträglichen Temperaturen aber sicher gut machbar.
Das Set bot hauptsächlich konstant und relaxt durchgroovende Indie-Pop-Songs mit englischen Texten, hier und da wurde es aber auch mal etwas schriller.  Gespielt wurden z.B. „Idiots“, „Short Cut“, „Horoscope“, „Guestroom“, „Campsite“ und „Picnic at the Seaside“, und somit hauptsächlich Songs von ihrem zweiten Album „Campsite“ von 2022. Das Freiburger Publikum hörte interessiert zu und verabschiedete das Trio nach einer halben Stunde guter Unterhaltung mit freundlichem Applaus von der Bühne.

Galerie Anna Erhard

Mit Fokuhila, Schnauzer, blondiertem Haupthaar und Topfschnitt ging es dann um 21 Uhr mit dem Main-Act weiter. Das Set startete natürlich mit „EZ Aquarii“, dem Titeltrack des aktuellen Albums, legte dann aber erst einmal einige Songs der ersten beiden Alben nach. Früh machte die Band Hoffnung auf ausgedehnten Konzertgenuss. Man hätte einiges auf Lager und würde ja auch gerne länger als nur bis 23 Uhr spielen, aber da wäre in Baden-Württemberg Schicht im Schacht — „so ist das eben“.

Für den ersten Höhepunkt des Abends sorgte dann, relativ früh im Set, das Stück „Wenn du tanzt“, das die schon angesprochene Special-Power der Indie-Formation perfekt belegte: „Schicker Mac-Tower, fett Power, Doppel Octa-Core – Rechenschieber, wenn du tanzt“, heißt es da beispielsweise, und „Dass diese Welt nicht zusammenfällt, liegt nur, allein an deinen Beinen – wenn du tanzt“. Und dazu eben eine Musik, die ungeheuer in die Beine geht. Bis in die hintersten Reihen konnte sich da kaum jemand dagegen wehren. Alles ist gehüpft und gesprungen. Ob die Zeile „alles Kreuzberg, wenn du tanzt“ auf Freiburg umgedichtet wurde, ist mir bei dieser Atmosphäre leider entgangen.

Wir spielen einfach noch so’n geiles Lied, okay?
Matze nach „Wenn du tanzt“

Gleich im Anschluss schob das Quintett also „noch so’n geiles Lied“ hinterher: „Chérie“, ebenfalls vom Debütalbum — „Mach es gut, Chérie. Als dein iPhone so grazil in den Landwehrkanal fiel, wusste ich, schöner wird es nie“ – und dazu schon wieder so verdammt tanzbare Musik. Frontmann Matthias Rohde schwang seine Gitarre hin und her, schlackerte mit den Beinen und erinnert so irgendwie immer an die Beatles oder Elvis Presley, wie ich finde.

Neun weitere Songs aus der insgesamt vier Alben umfassenden Diskographie wurden in der Folge zum Besten gegeben (komplette Setlist: siehe unten). Darunter zum Beispiel auch „Bärwaldpark“, das live schon „lange nicht mehr gespielt“ wurde. Zu einiger Überraschung stand schließlich auch „Auf Eis“ auf dem Zettel. Ein Song, den die Band eigentlich gar nicht mehr spielen wollte, weil Claudia Pechstein im Text genannt wird und man mit ihrer CDU-Parteikonvent-Rede nicht einverstanden ist. Die Lösung war schließlich, dass Sänger Matze ihren Namen im Text ersetzt hatte, und zwar durch „Irene Schouten“, die kann schließlich auch toll Schlittschuh laufen und hat sich – naiv, wer hier von einem Zufall ausgeht — einen von Pechsteins Rekorden geschnappt.

Dann kam das starke Finale des Hauptprogramms, gleich mit drei Knallern nacheinander: Zuerst „Bitch“ („Bitch, ich bin für dich, den ganzen Weg gerannt, den ganzen Weg alleine, alleine bis zu dir“ — wer wollte, sollte beim Mitsingen einfach ein beliebig anderes Schimpfwort einsetzen), „Sushi“ („Lina, ich will dein Sushi gar nicht seh’n“) und „Meine Kneipe“ („Mach’ was du willst, aber bring nie wieder deine neuen Freunde in meine Kneipe“). Drei Songs, die noch einmal das ganze Zelt zum Springen brachten. Rund 90 Minuten waren bis dahin gespielt, dann verließ die Band die Bühne. Na, na, na?! Hatte Matze den Munde vielleicht doch etwas voll genommen, als er anfangs meinte, man würde gerne länger spielen als möglich?

Schließlich kamen die Lissis für drei Zugaben wieder zurück auf die Bühne: „Meerschwein“, „Westkreuz“ und zum Schluss das noch einmal ordentlich abgehende „Elon“, mit dem sich die Berliner über die Tatsache lustig machen, dass selbst Elon Musk es nicht an den Türstehern vorbei ins Berghain geschafft hat. Musk hatte danach irgendeine billige Ausrede getwittert, aber „sorry, Elon, alle wissen, dass es passiert ist“, wie auch ein Schild im Publikum hämisch antwortete. Tja, „money can’t buy you love“. Herrlich!

Nachdem sich die Menge dann noch einmal um eine weitere Zugabe bemüht hatte, willigte die Band ein, mit „Freigetränke“ noch einen „Rausschmeißer“ zu spielen. Dann war es tatsächlich kurz vor 23 Uhr. Ja, einen Song mehr hätte man zeitlich sicher noch unterbringen können, aber wollen wir mal nicht meckern! Mit diesem fast zweistündigen Set und eine großartigen Atmosphäre dürfte im Freiburger Publikum kaum ein Bein ungeschwungen und kaum ein Wunsch unerfüllt geblieben sein. 2015 war schon richtig gut, aber 2023, im ausverkauften Zirkuszelt, auf der großen Bühne, mit einer äußerst textsicheren und tanzfreudigen Zuhörerschaft — das war grandios!

Galerie Von Wegen Lisbeth

Setlist Von Wegen Lisbeth

  1. EZ Aquarii
  2. Wieso
  3. Lisa
  4. 30 Segways, ein Ferrari
  5. Komm mal rüber bitte
  6. Wenn du tanzt
  7. Chérie
  8. Opti
  9. Alles OK
  10. L.OST
  11. Bärwaldpark
  12. Zimmer
  13. Drüben bei Penny
  14. Portugal (Autoteile auf der Fahrbahn)
  15. Augen I
  16. Auf Eis
  17. Bitch
  18. Sushi
  19. Meine Kneipe
  20. Zugabe: Meerschwein
  21. Zugabe: Westkreuz
  22. Zugabe: Elon
  23. Zugabe: Freigetränke

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Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

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