Browse By

Thomas D – Aufstieg und Fall des Tommy Blank

Es ist nicht wirklich ein Promo-Text, was mich da zusammen mit diesem Album erreichte. Vielmehr handelt es sich um einen Nachruf von Thomas D auf Tommy Blank. Der Versuch einer Erklärung dessen, was den Rapper so besonders machte. Und nicht zuletzt eine Kurzgeschichte über die enge Freundschaft zwischen den beiden.
“TD” erzählt darin, wie er “TB” kennengelernt hat, welche beeindruckende Vereinigung von Kompromisslosigkeit und Kreativität er bei seinen Auftritten gezeigt und wie verstört und verstörend er auch hinter der Bühne gewirkt hat. Ein Künstler, der nur für den Live-Auftritt zu haben war. Keine Aufnahmen, trotz zahlreichen Angeboten. Schon gar keine Musik-Videos und nicht einmal niedergeschriebene Texte – “Ich muss das nicht aufschreiben, Mann, das kommt alles von selbst.”
Schließlich ließ sich Tommy Blank dann doch darauf ein, zusammen mit Thomas D, Produzenten aus Hamburg und Wien und einigen Gast-Rappern ein Album zu bauen. Doch gerade als das Ganze ins Rollen kommen sollte, verschwand Tommy Blank. Sein gelber US-Schulbus, der ihm als Wohnmobil diente, wurde von der Polizei in Polen gefunden. Es war alles noch da, nur von Tommy Blank keine Spur… bis heute nicht.

Youtube-Video per Klick auf das Bild laden. Davor bitte die Datenschutz-Hinweise im Impressum beachten!
Video zu „Erfolg is a bitch“

Mit “Aufstieg und Fall des Tommy Blank” verarbeitet das “Fantastische Viertel” nun genau diese Geschichte zu einem ungewöhnlichen Konzeptalbum. Dabei greift er auf Gesprächsfetzen und auf Text-Verse zurück, die er während ihrer gemeinsamen Zeit von Tommy Blank notiert hatte. Deshalb sagt Thomas D selbst auch, dass es im eigentlichen Sinn kein Solo-Album wäre, sondern eine Kollaboration von ihm und dem Namensgeber.

Von Solo kann ohnehin nicht so richtig Rede sein. Die Liste der mitwirkenden Musiker ist lang und vereinigt Namhaftes aus den verschiedensten Genres: Rap-Veteran Afrob, Kaas (von “Die Orsons”), die Singer/Songwriterinnen Alin Coen und Cäthe, ihr männlicher Kollege Maxim, Herbert Grönemeyer, Nicholas Müller (von “Jupiter Jones”), Fabian Bottler (von den Elektropoppern von “Exclusive”), Chefket, Rödelheim-Survivor Moses Pelham, Deutschrocker Hagen Stoll (von “Haudegen”) und schließlich Samy Deluxe der gleich doppelt vertreten ist – einmal mit seinem Alter Pop-Ego “Herr Sorge”.
Und so unterschiedlich die Features sind, so abwechslungsreich ist auch die Musik. Gemeinsamer Nenner ist der Sprechgesang von Thomas D. Die Stücke bieten insgesamt aber, was Tempo und Stimmung angeht, mehrere Varianten. Rap- und Hip-Hop-Puristen werden sich am ehesten mit „Sirenen“ und „Erfolg is a Bitch“ anfreunden können, die beide mit heruntergepitchten, bläserartigen Basslinien kommen.

Viele der Gastmusiker erzählen ein Stück ihrer ganz eigenen Geschichte mit dem Verschwundenen. Von seinen Schwierigkeiten mit dem Erfolg und dem Leben an sich. „Tommy Blank ist für Erwachsene“, sagt Thomas D selbst über das Album. Angesichts der mitunter ganz schön „expliciten lyrics“ und dem sowieso schwierigen Hintergrund kann man dem nur beipflichten.
Etwas überraschend (für mich) war übrigens die Haltung von Afrob, der bei „Tommy is back“ ganz schön hart mit Blank ins Gericht geht: „Ich kenne Tommy von’ner ganz anderen Seite. Intregant, arrogant, findet jeden scheiße.“ – und: „weißt du noch, wie du allen in den Arsch getreten hast, die dir geholfen haben?!“.

„Tommy ist – oder war – ein Rap-Philosoph, ein Straßenprediger, der Texte gemacht und vorgetragen hat, die sehr intensiv sind und gnadenlos kompromisslos. Er benutzt die Worte der Straße. Tommy Blank ist nichts für Kinder, Tommy Blank ist für Erwachsene.“Thomas D über Tommy Blank

“Aufstieg und Fall des Tommy Blank” berührt und wirkt großartig. Ohne den Anteil von Thomas D klein machen zu wollen – es ist schließlich hauptsächlich sein Werk, er liefert den größten (und einen astreinen) Beitrag und er ist derjenige, der alles zusammengebracht hat. Aber gerade durch seine so unterschiedlichen Gäste kommen so viele Facetten auf die Scheibe. Selbst die wenigen von ihnen, mit deren Musik ich sonst nicht gerade viel anfangen kann, haben mich hier voll und ganz überzeugt.

Am Ende also ein starkes Album, auch wenn es so kurz vor Weihnachten etwas auf die Stimmung drückt. Und schließlich ein Album von Thomas D über sein eigenes, anderes Ich. Das vielleicht eher jugendliche, das dem US-Vorbild nacheifern und sprachlich gerne mal in die untere Schublade greifen wollte. Eines, das mal ausbrechen wollte. Richtig. Tommy Blank gab es nie! Oder anders gesagt, Thomas war Tommy und Tommy war Thomas. Immer ein bisschen weit. Wie jetzt… enttäuscht? Nicht doch – gerade das lässt das Album und Idee dahinter noch viel genialer wirken!

Anspieltipps: “Schicksal” (großartiger Refrain mit Alin Coen und feiner Rap-Part mit Samy Deluxe), “Erfolg is a Bitch” (bissig gesungen von Nicholas Müller und herrlich düster), “Brüder” (mit typischem Grönemeyer-Stil)Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index

Abo und News an Deine E-Mail







Über den Autor des Beitrags

Gerald

Hört so ziemlich alle Genres querbeet, von Heavy bis Electro, von Folk-Pop über World und Rock bis Hip-Hop. Ehrliche, handgemachte Musik ist aber noch die beste und Radio-Rotation ist evil. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Ist zudem hauptsächlich für unsere Comic-Abteilung verantwortlich und spielt hin und wieder auch gerne mal an der (Nintendo-)Konsole.

Weitere Beiträge des Autors - Website

Follow Me:
Flickr

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert