Tori Amos – Unrepentant Geraldines
Auf “Gold Dust” (2012, hier unser Review) zeigte uns die Frau am Bösendorfer zu ihrem 20-jährigen Jubiläum mit einem ganzen Orchester im Rücken eine ganz persönliche Song-Selektion aus ihrer umfangreichen und reichhaltigen Diskografie. Danach ging die Arbeit im großen Rahmen (mit vielen Musiker-Kollegen) weiter: Sie wirkte – natürlich musikalisch – am Musical “The Light Princess” mit, das Ende 2013 im Londoner National Theatre uraufgeführt wurde.
Nun gibt es mit “Unrepentant Geraldines”, dem insgesamt 14. Album, in 14 Stücke und rund eine Stunde gepacktes, neues Material von Tori Amos. Inspiriert wurde die gerade 50 Jahre jung gewordene Kunstliebhaberin diesmal von Fotografien (Diane Arbus zeigte die Randgesellschaft eines anderen “America”s), Gemälden (speziell von Paul Cezannes “Schwarzer Marmoruhr” und dessen “16 Shades Of Blue”) und der titelgebenden Radierung “Geraldine” des Iren Daniel Maclise.
Die textlichen Inhalte der über die letzten Jahre hinweg entstandenen Songs sind dabei so vielfältig, dass eine Zusammenfassung einen fast chaotischen Eindruck macht: das Älterwerden, Religion, Muttergefühle, die NSA- bzw. Snowden-Affäre (auf die Amos übrigens scheinbar eine eher “amerikanische” Sichtweise hat), Sexualität und eine Mutter-/Tochterbeziehung – um einige Beispiele zu nennen. Wobei viele der Themen ja auch schon in früheren Songs Verwendung fanden.
You know, your albums, I’ve always seen them as being a certain phase you’re going through… I don’t see this as a phase. I see moments of all your records. And then things that I’ve never heard before, that might have come from the musical. You’re starting to write certain stories from the perspective of being a mom, and from being 50. Because you’ve lived.Tochter Tash über das neue Album ihrer Mutter
Auf der musikalischen Ebene ist zwar auch für Abwechslung gesorgt, dort bleibt allerdings trotzdem eher ein insgesamt homogener Eindruck zurück. Die ersten Songs (das an frühe Stücke erinnernde “America”, mit tollem, überraschenden Zwischenpart, das ungewöhnlich klingende, Folk-artige “Trouble’s Lament” und zwei, drei nachfolgende Lieder) nehmen einen auch sofort gefangen und wirken zunächst am stärksten. Wie es sich gehört, entfaltet sich die Platte im Ganzen aber mit der Zeit immer mehr, so dass ich mich am Schluss kaum für einzelne Anspieltipps entscheiden kann.
Hier und da zeigen die Songs ein paar Spezialitäten: “16 Shades Of Blue” kommt beispielsweise mit elektronischen Bass- und Drum-Sounds und einem eigentümlichen Rhythmus. Bei “Giant’s Rolling Pin” wird eine Tuba ausgepackt, im Titelsong wird stark mit Hall gearbeitet und im Refrain sehr schrill gesungen und in “Promise” singt Tori ein Duett mit ihrer 13-jährigen Tochter Natashya, genannt “Tash” (deren Stimme auch sehr schön klingt).
Die ersten Songs auf “Unrepentant Geraldines” machen einem den Einstieg, wie gesagt, einfach. Insgesamt ist das Album ein klassischer Grower, der mit jedem Durchlauf zulegt und Fans gefallen wird. Ein wirklich gelungenes Album, das, wie es (s.o.) Töchterchen Tash beschreibt, an verschiedene Vorgänger erinnert, gleichzeitig aber auch neue, kleine Facetten zeigt. Nach eigenem Bekunden hatte Tash übrigens in sofern einen großen Einfluss auf das Werk, weil Mutter Tori vieles durch die Augen ihrer Tochter betrachten und so neue Blickwinkel und Inspirationen finden konnte.
Tori Amos wird auf ihrer 80-tägigen Solo-Tour (nur sie und ihr Piano) zum Album auch fünf Konzerte in Deutschland spielen (Mai/Juni in Frankfurt, Berlin, Hamburg, Stuttgart und München). Für Fans aus der Freiburger Region kommt außerdem der Auftritt in Zürich in Betracht.Viele weitere CD-Reviews findest Du übrigens in unserem alphabetischen Index…
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